Blog Corona Stadtelternbeirat

Was ist mit den Kindern?

Positionspapier Frankfurter Kinderbeauftragter
Was ist mit den Kindern?

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Volker Bouffier,
sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister Jens Spahn,
sehr geehrte Frau Bundesfamilienministerin Franziska Giffey,
sehr geehrte Frau Bundesbildungsministerin Anja Karliczek,
sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz,
sehr geehrter Herr Staatsminister für Soziales und Integration Kai Klose,
in der gesamten Corona-Pandemie haben die Kinder und Jugendlichen eine große Solidarität gegenüber der gesamten Gesellschaft bewiesen. Regelungen zu Hygiene, Abständen, Masken und zum Testen werden von ihnen umgesetzt und eingehalten. Kita-Kinder hatten sich an andere Betreuungsformate zu gewöhnen und mussten pandemiebedingt auf vieles verzichten. Schüler:innen haben den Winter über oft mit ihren Jacken in den gut gelüfteten Räumen
gesessen, sich auf neue Lernformen und Alltagssituationen eingelassen und diese ertragen. Die Schüler:innen ab der siebten Jahrgangsstufe müssen seit Monaten auf den Schulbesuch verzichten und erleben dadurch massive soziale und emotionale Verluste. Wir nehmen als Gesellschaft unseren Kindern Zukunftsaussichten und den lebenswichtigen Raum, um sozial und emotional zu wachsen. Depressionen bei Kindern nehmen massiv zu. Zu wenig Bewegung, zu wenig frische Luft und zu viel Medienkonsum schwächen Gesundheit und Immunsystem der Kinder nachhaltig. Manchen Kindern fehlt die so wichtige warme Mahlzeit
am Tag. Institutionelle Mechanismen der Gewaltprävention greifen aktuell nicht. Der Aufbau
von Freundschaften wird unterbunden, soziale Interaktion untereinander verhindert. Dies zeigt
sich auch in geschlossenen Jugendeinrichtungen und bei den Sportvereinen. Offene Angebote
und Vereine geben Kindern und Jugendlichen Halt. Dies sollte stärker berücksichtigt werden.
Auch für die Kinder gilt, dass diejenigen am härtesten von der Krise betroffen sind, die auch
zuvor schon keine guten Ausgangslagen hatten.

Während über die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz diskutiert wird, zeigt sich durch die Bundesnotbremse erneut, dass in der politischen Praxis die kindlichen Interessen und Bedürfnisse bestenfalls nachrangig beachtet werden. Zuletzt wurden in einem sachlich nicht nachvollziehbaren Kuhhandel Schul- und Kitaschließungen gegen Ausgangssperren ausgespielt – und die Kinder haben verloren. Dabei ist bei den Kindern seit Beginn der Pandemie die Diskrepanz zwischen „wie weit sind ihre Rechte eingeschränkt“ und „wie weit dient das ihrem eigenen Schutz“ am Größten.

Kinder nehmen sehr wohl wahr, dass ihr Leben massiv eingeschränkt wird. Bei ihnen macht die Regierung verpflichtende Vorgaben, während es im Arbeitsleben für sehr viele Menschen lediglich bei Appellen und Angeboten bleibt. Die Freizeit der Erwachsenen wird erst nach 22:00 Uhr eingeschränkt – im Bewusstsein, dass das flächendeckend kaum durchzusetzen ist. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, dass junge Menschen nicht mehr in die Schule oder ihre Kita gehen dürfen, ihre Eltern aber weiterhin zur Arbeit gehen können. Arbeitnehmer:innen dürfen das Homeoffice ablehnen, Schüler:innen haben sich mit großenteils abträglichen Bedingungen im Homeschooling zu arrangieren. All dies empfinden die Kinder und auch wir als zutiefst ungerecht.

In der Abwägung der Corona-Maßnahmen werden echte Fürsprecher:innen der Kinder nicht gehört. Ständig lesen wir von Expert:innen aus dem medizinischen Bereich, die weitere Verschärfungen fordern oder von Arbeitgeberverbänden, die die Einschränkungen für die Wirtschaft beklagen. Was wir nicht oder kaum wahrnehmen, ist, dass dem die verheerenden Auswirkungen der Maßnahmen auf die Kinder gegenübergestellt werden. Die jungen Menschen kommen, obwohl ihnen ein Beteiligungsrecht zusteht, selbst überhaupt nicht zu Wort.

Als Kinderbeauftragte appellieren wir deshalb mit größter Dringlichkeit an die Entscheiderinnen und Entscheider auf Landes- und Bundesebene, die Kinderinteressen endlich angemessen zu berücksichtigen. Und wenn nun über Erleichterungen für Geimpfte diskutiert wird, muss auch über Erleichterungen für Kinder gesprochen werden. Es darf für sie keine Benachteiligung bei der öffentlichen Teilhabe und dem Zugang zu Bildung geben. Deutschland hat sich vor knapp 30 Jahren zur UN-Kinderrechtskonvention und somit zur Einhaltung der Grundprinzipien des Kindeswohlvorrangs, des Diskriminierungsverbots, des Beteiligungsrechts und des Rechts auf Leben und persönliche Entwicklung von jungen Menschen verpflichtet. Die Entscheidung, Bildungseinrichtungen rein inzidenzwertbasiert und flächendeckend zu schließen, wird diesen Prinzipen nicht gerecht und von uns als schneller, kostengünstiger Aktionismus wahrgenommen, wo es eigentlich sicherer und langfristiger Lösungen bedarf. Daher fordern wir Sie dazu auf, die Kinderrechte, vorrangig zu berücksichtigen – auch und gerade in diesen Zeiten. Die Zukunft der Kinder beginnt jetzt! Dafür benötigt es echter Anstrengungen und Maßnahmen, die ein Bewusstsein für Kinder, ihre Interessen und Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt.

Wir weisen eindringlich darauf hin, dass es nicht ausreichen wird, mit einzelnen Nachhilfeangeboten oder einem Sommer-Lerncamp auszugleichen und zu kompensieren, was die Heranwachsenden im letzten Jahr versäumt und verloren haben. Und auch viele Kita-Kinder werden nicht einfach dort anknüpfen können, wo sie vor der Corona-Pandemie standen. Die Folgen für die Kinder und Jugendlichen werden uns über eine lange Zeit beschäftigen. Hier braucht es ausreichend finanzielle Mittel und viel mehr Fachpersonal in den Schulen, den Kitas, Kinder- und Jugend(freizeit)einrichtungen sowie den Beratungsstellen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass die Hilfen bei den Kindern, ankommen, die diese benötigen. Neben einer Überarbeitung der Bundesnotbremse stehen in den kommenden Wochen und Monaten weitere wichtige Weichenstellungen an. Nehmen Sie Kinder und Jugendliche bei Ihren Entscheidungen in den Blick. Entscheiden Sie für die Kinder und Jugendlichen und entscheiden Sie MIT ihnen. Kita-Kinder haben andere Bedürfnisse als Grundschüler:innen oder Jugendliche. Dem sollte angemessen Rechnung getragen und auch gesamtgesellschaftlich keine Gruppe, ob jünger oder älter, gegeneinander ausgespielt werden.

 

Kinder und Jugendliche brauchen Perspektiven für ein gutes Leben, wir müssen ihnen diese
nun endlich geben!

Für die Kinder in Frankfurt:
Dr. Daniela Wehrstein Ostend
Kira Schuler Eckenheim
Annette Passarge Bockenheim
Heike Karassavidis Höchst
Sara Hammann Bergen Enkheim
Ingrid Reizammer Nieder-Erlenbach
Sara Steinhardt Innenstadt
Forough Hayatpour Bonaki Nieder-Eschbach
Marion Weil-Döpel Goldstein
Marita Kneisel Schwanheim
Armin Strobel Sachsenhausen
Rolf Rieckmann Rödelheim
Felix Mause Bahnhofsviertel
Stefanie Krieger Seckbach
Mia Badde Praunheim
Ronald Bieber Riedberg
Heidi Sehl Harheim
Heidi Bachmeyer Eschersheim
Rita Dämmrich Broemel Unterliederbach
Susanne Langohr Zeilsheim
Sandra Schmidt Heddernheim
Katharina Wilhelm Altstadt
Dirk Trull Niederrad
Christina Ringer Westend

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